Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis |
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Von 1963 bis 1989 wurden mehr als 33.000 politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Das Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg wurde zur zentralen Durchgangsstation für diese Häftlinge und damit Drehscheibe eines großen Geschäfts: Die DDR erhielt als Gegenleistung Warenlieferungen im Wert von mehr als drei Milliarden D-Mark von der Bundesrepublik. 1886 als Königlich-Sächsische Gefangenenanstalt erbaut, blickt der Gefängnisbau auf eine lange Geschichte als Haftort zurück. Während der NS-Zeit wurden jüdische Chemnitzerinnen und Chemnitzer von hier aus in die Konzentrationslager verschleppt. Der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. setzt sich seit seiner Gründung im Jahr 2011 dafür ein, auf dem Gelände einen Lern- und Gedenkort einzurichten. Dafür sollen ausgewählte Gebäudebestandteile, insbesondere der historische Zellentrakt B, der sogenannte Vogelkäfig, als Schauplatz des Gefangenenfreikaufs erhalten, architektonisch behutsam konserviert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das zu entwickelnde Konzept soll einerseits der Erinnerung und Schicksalsbewältigung für Opfer der SED-Diktatur und deren Angehörige Rechnung tragen und andererseits für ein breites deutsches und internationales Publikum - vor allem aber für die nachwachsenden Generationen - auf Basis aktueller didaktisch-pädagogischer Tendenzen der Gedenkstättenarbeit Lernangebote vorhalten. beier+wellach projekte erarbeitete in den Jahren 2018/2019 zunächst gemeinsam mit dem Verein ein Grobkonzept und darauf aufbauend ein Feinkonzept für den Lern- und Gedenkort, führte ein Zeitzeugenprojekt durch, beriet den Verein bei der Finanzierung des Vorhabens und erarbeitete das Nutzungs- und Betriebskonzept, auf dessen Grundlage die investiven Mittel von Bund (BKM), Freistaat Sachsen und der Stadt Chemnitz zur Errichtung des Lern- und Gedenkortes bewilligt wurden. Bis zur geplanten Eröffnung übernimmt beier+wellach projekte nun die Projektleitung und das Kuratorium sowie die inhaltliche Ausarbeitung und Text-, Bild- und Medienredaktion für die Dauerausstellung. Ferner entwickelt beier+wellach projekte die dramaturgisch-raumbildnerische Gestaltung bis zum Entwurf sowie die Ausstellungsgrafik. Reaktionen
"Die neue Gedenkstätte kann dabei helfen, etwas über Diktaturen und den Wert von Freiheit und Demokratie zu erfahren. Der Kaßberg soll als Lernort dienen und den zukünftigen Generationen das Wissen vermitteln, Freiheit als ein hohes Gut anzusehen."
Ministerpräsident Sachsens Michael Kretschmer, Freie Presse Chemnitz, 22.10.2023 "Auf drei Etagen wird hier anhand der Biographien einstiger Insassen das Geschehen lebendig. In der dritten Etage werden Schicksale aus der NS-Zeit erzählt, in der zweiten können sich die Besucher über die hiesige NKWD-Herrschaft informieren und im ersten Stock über die Rolle des. Gefängnisses als Stasi-U-Haft und Häftlingsfreikaufanstalt. Das Konzept scheint aufzugehen; zur Eröffnung am Wochenende ist der Ort überlaufen." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 23.10.2023, Seite 3. "Geschichtenerzählung durch Collagen: Schicksale im Fokus Wichtigstes Anliegen bei der Konzeption der Dauerausstellung war es, starke Persönlichkeiten in den Fokus zu rücken. Davon leben die Inszenierungen in den ehemaligen Zellen. In jeder von ihnen wird das Schicksal einer oder eines Inhaftierten erzählt." MDR.de (Region Chemnitz), 20.10.2023 "Sechs Jahre hat das Projekt gedauert, knapp zwei Jahre nahm der Umbau des einstigen Hafttraktes in Anspruch. Zeitzeugen äußern sich am Freitag zufrieden mit dem Ergebnis. "Die DDR war ein Unrechtsstaat und das muss immer wieder gesagt werden", sagt Christine Storck. Bei der Umsetzung der Ausstellung sei mit viel Einfühlungsvermögen vorgegangen worden. Zudem werde sehr gelungen der Übergang von der NS-Zeit über die sowjetische Besatzung bis in die DDR dargestellt, konstatiert die 64-Jährige. "Es zeigt sich, dass das gleiche System dahinter steckt, um Menschen zu erniedrigen." dpa, 20.10.2023 „Für viele politische Häftlinge in der DDR war der Kaßberg das Tor zur Freiheit und gleichzeitig die letzte Station ihres Leidens. Mich beeindruckt, was hier durch ehrenamtliches Engagement, die Stadt Chemnitz, den Freistaat Sachsen & den Bund i.d. letzten Jahren gemeinsam geschaffen wurde. Der Häftlingsfreikauf ist ein wichtiges Kapitel deutsch-deutscher Geschichte. Der Lernort Kaßberg-Gefängnis ist ein Ort, der weit über Chemnitz hinausstahlt. Ein Ort von nationaler Bedeutung.“ Dr. Evelyn Zupke, Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Twitter, 08.12.2022 „Dieser Ort macht die komplexe Geschichte der Diktaturen des 20. Jahrhunderts begreifbar. Der Verein Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. zeigt diese Perspektiven und integriert sie in ein modernes Bildungskonzept. Ich halte authentische historische Orte wie das Kaßberg-Gefängnis für immens wichtig für die Aufarbeitung: Sie machen Geschichte auf anschauliche Weise lebendig und begreifbar. Der Ort lädt uns ein zum Dialog mit den Erfahrungen der hier verfolgten Menschen. Aus dem Erinnern entsteht so ein Lern- und Verständnisprozess für die Gegenwart. Wir brauchen in Sachsen mehr solcher Erinnerungsorte, damit wir verstehen, welche Spuren die Geschichte hinterlassen hat. Und natürlich auch, damit wir begreifen, wie Repression in einer Diktatur konkret aussah. Das Besondere am Verein Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. ist das vielfältige Engagement von Menschen aus der Region, die sich über politische Lager hinweg ehrenamtlich für eine Aufarbeitung der Geschichte vor Ort stark machen. Das macht Mut und zeigt Perspektiven für eine pluralistische Aufarbeitung in Sachsen.“ Dr. Nancy Aris – Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Pressemitteilung des Sächsischen Landtages, 25.11.2021. „Durch die Bewilligung der Anträge können jetzt zwei wichtige Gedenkstätten (Anm.: Gedenkstätte Frauenzuchthaus Hoheneck und der Lern - und Gedenkort Kaßberg) im Freistaat Sachsen errichtet werden, mit denen jeweils am authentischen Ort an das vielfach begangene SED-Unrecht, aber auch an dessen Überwindung erinnert werden soll. Diese Orte werden der historisch-politischen Bildung dienen und so dazu beitragen, dass die erlittenen Repressionen, aber auch der politische Widerstand dagegen, nicht vergessen werden." Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, BLICK.de/Chemnitz, 18.12.2019. |
„Ihr habt einen Ort der Unmenschlichkeit in einen Ort der Menschlichkeit verwandelt."
Ort Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis, Chemnitz |